Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wirft in der Verwaltung viele Fragen auf – technologische, organisatorische und ethische. Paul Meyrat, Senior Digital Transformation Consultant bei der Stadt Zürich, hat in seiner Keynote im Rahmen unseres Online-Kongress Zukunft Digital Schweiz 2025 anhand konkreter Beispiele gezeigt, wie KI sinnvoll in Behörden eingesetzt werden kann – mit Verantwortung, Augenmaß und Nutzen für die Gesellschaft.
Der Stand der Dinge: Zwischen Aufbruch und Alltag
Zu Beginn macht Paul Meyrat deutlich: Die Verwaltung steht noch am Anfang der KI-Reise. Aktuell liegt der Fokus auf der individuellen Produktivitätssteigerung. Erst wenn breite Teile der Belegschaft die Technologien verstehen, wird es möglich sein, Fachanwendungen sinnvoll zu automatisieren. Dabei steht die Öffentliche Hand in puncto Innovation nicht unbedingt hinter der Privatwirtschaft – beide bewegen sich auf vergleichbarem Niveau.
Digitale Souveränität: Vom Modewort zur Realität
Jüngste Entwicklungen haben gezeigt: Abhängigkeiten von großen Anbietern können problematisch werden. In einem föderal organisierten Staat wie der Schweiz ist die Herausforderung noch komplexer: 2.121 Gemeinden, viele Kantone, wenig zentrale Steuerung – ein Flickenteppich, der koordiniert werden muss.
Open Source als strategische Antwort
Mit dem „EMBAG“ – dem Gesetz zum Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben – hat der Bund in der Schweiz einen wichtigen Schritt gemacht: Artikel 9 verpflichtet Bundesbehörden zur Nutzung und Veröffentlichung von Open Source Software, sofern keine Sicherheits- oder Drittrechte dagegensprechen.
Auch Kantone wie Bern und Zürich sind aktiv geworden. Erste Anwendungen werden bereits als Open Source entwickelt und öffentlich geteilt – ganz im Sinne des Mottos „Public Money, Public Code“.
Der Systemwechsel braucht Change Management
Technologische Umstellung allein reicht oft nicht aus. Es braucht Change Management und Schulungen. Besonders dann, wenn bestehende Tools ersetzt oder ergänzt werden sollen. Führungskräfte müssen überzeugt werden – nicht nur rational, sondern auch emotional. Und: Auch die Nutzer:innen müssen mitgenommen und befähigt werden.
KI im Alltag: Von Mustern, Sprache und Semantik
Was kann KI heute schon konkret leisten? Paul Meyrat zeigt einige Beispiele aus der Schweiz:
- Mustererkennung in Steuerdaten
- Sprachbots für einfache Sprache
- Semantische Suche
- Transkription von Interviews oder Meetings
Viele dieser Lösungen basieren auf Open Source und sind on-premise betrieben – also sicher und unabhängig.
UX, Vertrauen und Umgewöhnung
Ein weiteres Thema: Die Macht der Gewohnheit. Viele Mitarbeitende sind mit den Benutzeroberflächen großer Anbieter vertraut – was Umstellungen erschwert. Doch mit gezieltem Onboarding und Nutzerzentrierung lässt sich das ändern. Die Qualität vieler Open-Source-Oberflächen ist heute absolut konkurrenzfähig.
Fazit: Technologie, Strategie und Kultur müssen zusammenspielen
Der sinnstiftende Einsatz von KI in der Verwaltung ist kein Selbstläufer. Es braucht:
- Technologische Kompetenz
- Strategische Klarheit (z. B. Open Source First)
- Kulturellen Wandel und Change Management
Die gute Nachricht: Viele Ansätze und Lösungen gibt es bereits – und sie sind öffentlich zugänglich. Wenn Verwaltungen voneinander lernen und bestehende Entwicklungen teilen, entsteht ein nachhaltiges, souveränes digitales Ökosystem.